Stimmen von Betroffenen

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Offener Brief Betroffener an die Gesundheitsministerkonferenz (09.06.2025)

Weimar, den 09.06.2025

Betreff: Berücksichtigung von ME/CFS während der 98. GMK

Sehr geehrte Mitglieder der Gesundheitsminister:innenkonferenz,

anlässlich der in Weimar stattfindenden 98. GMK wenden wir, das ME/CFS Netzwerk Thüringen, uns mit der dringenden Bitte an Sie, sich gemäß des Koalitionsvertrags (4.2 Gesundheit und Pflege) der Versorgung von an ME/CFS erkrankten Menschen zu widmen.

Sie wissen, dass ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Constant Fatigue Syndrom) eine schwere neurologische Multisystemerkrankung ist, die jahrzehntelang gesundheitspolitisch und medizinisch massiv vernachlässigt worden ist.
Sie wissen, dass aus diesem Grund Erkrankte und Angehörige in großem Ausmaß struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind.
Sie wissen, dass Betroffene weder adäquate medizinische, pflegerische noch soziale Versorgung erhalten.
Sie wissen, dass aus diesem Grund ME eine tödlich verlaufende Krankheit sein kann.
Sie wissen, dass es fast keine Anlaufstellen gibt, die Erwachsene behandeln.
Sie wissen, dass erkrankte Kinder und Jugendliche Opfer struktureller Gewalt werden, u.a. weil Bildungseinrichtungen nicht auf die mit der Erkrankung einhergehenden Bedürfnisse
eingestellt sind, sie häufig nicht kennen oder gar aberkennen.
Sie wissen auch, dass es keine kurativen Therapien und kein einziges zugelassenes Medikament gibt.
Sie wissen, dass nur sehr wenige Menschen Zugang zu symptomlindernden Medikamenten haben und wenn, dann oft nur auf eigene Kosten oder durch kräftezehrende Widerspruchs-oder Gerichtsverfahren.
Sie wissen, dass es in Behörden und Ämtern nach wie vor an Aufklärung fehlt, was bspw. zur Verweigerung von Sozialleistungen führt.
Sie wissen, dass die Krankheit mit all ihren Konsequenzen einen jährlichen Schaden von über 30 Mrd. € allein in Deutschland verursacht – bei steigender Tendenz. [1]
Vielleicht wissen Sie, dass sich unzählige an ME/CFS Erkrankte gegen ihren Willen und entgegen jeglicher medizinethischen Grundlage in Reha-Einrichtungen und Psychiatrien befinden und dort der Gefahr ausgesetzt sind, das letzte bisschen Lebensqualität dauerhaft zu verlieren.
Vielleicht wissen Sie, dass schwerst an ME/CFS erkrankte minderjährige Kinder im europäischen Ausland Sterbehilfe erhalten, weil keine Hoffnung besteht, sie anderweitig von den grauenhaften Qualen zu befreien.
Vielleicht wissen Sie, dass Mütter, die sich aufopferungsvoll um ihr an ME/CFS erkranktes Kind kümmern, dem Vorwurf der Kindeswohlgefährdung ausgesetzt sehen und mitunter das
Sorgerecht entzogen bekommen.

Diese Missstände, die extremes menschliches Leid und großen wirtschaftlichen Schaden verursachen, muss die neue Regierung auflösen.
Sie als wichtigste Vertreter:innen der Gesundheitsressorts stehen vor der Aufgabe und Chance, eine historische Situation zu erwirken, die mehr als einer halben Million Menschen in diesem Land das Leben zurückgeben und alle anderen vor einem zukünftigen Erkranken sowie Deutschland langfristig vor einem volkswirtschaftlichen Kollateralschaden schützen kann.

Nach der Sicherstellung von ME/CFS im Koalitionsvertrag braucht es nun schnellstmöglich konkrete Lösungsansätze, den Abbau bürokratischer Hürden und – in Zusammenarbeit mit den Akteur:innen um Bundesforschungsministerin Dorothee Bär – das Gespräch mit führenden Forschenden wie Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen oder Prof. Dr. Klaus Wirth.

Es braucht konkrete Maßnahmen für:

  1. Bessere Versorgung – Kompetenzzentren und Ambulanzen; Einrichtung interdisziplinärer Zentren mit adäquater stationärer Aufnahme (Berücksichtigung von
    PEM, Reizempfindlichkeit usw.) sowie Telemedizin!
  2. besondere Berücksichtigung der Versorgung von Schwer- und Schwerstbetroffenen!
  3. Schulung von Ärzt:innen und Pflegekräften – ME/CFS gehört obligatorisch ins Studium, in Aus- und Fortbildungen!
  4. Aufklärung – eine BZgA-Kampagne für ME/CFS!
  5. Umsetzung des Menschenrechts auf medikamentöse Versorgung – Off-Label-Therapien auch für ME/CFS-Betroffene mit Kassenübernahme!
  6. Medikamentenforschung fördern und die Zulassung bereits bestehender Medikamente (bspw. Uplizna) beschleunigen (in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Forschung, ähnlich dem beschleunigten Zulassungsverfahren der COVID-19-Impfung)!
  7. Förderung weiterer biomedizinischer Forschung zum Pathomechanismus sowie die Anerkennung bereits bestehender biomedizinischer Forschung
  8. Sozialrechtliche Anerkennung – PEM in alle Gutachterrichtlinien! ME/CFS in die Versorgungsmedizinverordnung für einen angemessenen GdB!
  9. Schutz von Betroffenen und pflegenden Angehörigen vor Diskriminierung und anderen Formen struktureller Gewalt auf allen gesellschaftlichen Ebenen!

Wir bitten Sie inständig, sich diesen dringenden Bedarfen in Ihrer Arbeit anzunehmen.
Wir wären Ihnen sehr dankbar, könnten Sie uns über die Ergebnisse Ihrer Konferenz hinsichtlich des Themenkomplexes ME/CFS informieren.
Für Rückfragen und Dialog stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit hoffnungsvollen Grüßen,
Alexandra Greifzu, Lilli Hallmann, Mandy Mühle und Lilian Seidler für das ME/CFS-Netzwerk Thüringen.
……………………………………………………………..
Kontakt: mecfs.thueringen@gmail.com

Weiterführende eindrückliche Informationen:

• Weitere Informationen zu unserer Initiative und jüngsten Aktionen: https://mecfs-thueringen.de/
• Eindrücke von der LiegendDemo Jena am 10.5.2025, die von unserer Initiative organisiert wurde: https://youtube.com/shorts/afwfZdGzbyU?si=PkFkSBTP5ci9iTJg
• Stimmen von Betroffenen und pflegenden Angehörigen, u.a. von Lilian, die vor der Erkrankung Promotionsstudentin war und nun im Namen vieler Tausender fragt: „Wann würde es auf politischer Ebene auffallen, wenn ich aufhöre zu kämpfen?“ Oder von der Mutter des schwerstbetroffenen Leander (13 Jahre), der in einer Isolationskabine ums Überleben kämpft: https://mecfs-thueringen.de/stimmen-von-betroffenen/

[1] James Daniell u.a.: The rising cost of Long Covid and ME/CFS in Germany, Karlsruhe: Risklayer und Hamburg: ME Research Foundation. Mai 2025, S. 19 (URL: https://mecfs-research.org/costreport-long-covid-and-mecfs/ (Zugriff 9.6.2025).

Kundgebung zu ME/CFS am Marktplatz in Weimar, während der dortigen Gesundheitsministerkonferenz, 11. und 12.06.2025



Beiträge zur LiegendDemo am 10. Mai 2025 in Jena

zum Vor-, Mit- und Nachlesen, zum Anhören und Anschauen


Der nachträgliche Fotobericht der Initiative LiegendDemo findet sich hier: https://youtube.com/shorts/afwfZdGzbyU?feature=shared

Und hier der selbstgeschriebene Song „Was du nicht siehst“, den eine Betroffene im Anschluss an die LiegendDemo in Jena veröffentlicht hat: https://youtube.com/shorts/su-nzI_1ykc?feature=shared


Beitrag von Lilian aus Jena:

„Ich bin Lilian und ich habe ME/CFS. Weil ich zu schwer krank bin, um selbst hier zu sein, gibt es von mir, wie von vielen anderen heute, nur ein Schild hier. Diesen Redebeitrag – eine Version davon hat Henrike schon am 8. März für mich gehalten – hätte ich ohne Unterstützung niemals schreiben können. Ich komme von der Initiative LiegendDemo, dieser Beitrag ist meine persönliche Perspektive. Aber ich weiß, dass viele andere Betroffene dieses eine Gefühl mit mir teilen: Ich fühle mich von der Politik im Stich gelassen. Was kann ich machen, damit ihr uns zuhört? Damit endlich politische Verantwortung übernommen wird für den Umgang mit ME/CFS? Die Politik ist natürlich nicht verantwortlich dafür, dass wir krank werden – aber doch in hohem Maße mitverantwortlich dafür, dass wir es bleiben. Was kann ich tun, damit das endlich allen klar wird? Was kann ich tun, wenn der Grund meiner Wut auch der Grund dafür ist, dass ich diese kaum zeigen kann? 

Falls ihr es noch nicht wisst, falls Sie es noch nicht wissen – und ich verlange von allen Menschen, die in der Politik tätig sind, sich selbst zu informieren: ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue Syndrom. Dieser Begriff bezeichnet eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Ein charakteristisches Symptom für ME/CFS ist die Post-Exertionelle Malaise, kurz PEM. PEM zu haben heißt, dass sich all unsere Krankheitssymptome nach geringsten körperlichen oder geistigen Anstrengungen krass verstärken – ein Wort dafür ist crash. Heftige Schwäche, starke Muskelschmerzen, stärkste Grippesymptome. Außerdem haben wir Herz-Kreislauf-Probleme, massive Schlafstörungen und – brain fog: neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen – nicht mehr denken können. Und vieles mehr. [1]

Von dieser Erkrankung sind weltweit ca. 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland waren es vor der Covid-19-Pandemie 250.000. Seitdem ist die Zahl auf mindestens 600.000 gestiegen, plus eine wahrscheinlich ziemlich hohe Dunkelziffer.

Wir, die wir von ME/CFS betroffen sind, wir kämpfen jeden Tag. Aber fast alle unsere Kämpfe bleiben unsichtbar. Ich zum Beispiel kämpfe täglich, um mir die Zähne zu putzen. Ich kämpfe, um fünf Minuten aufrecht zu sitzen. Mich zehn Minuten lang zu unterhalten. Ich ertrage kein Licht, keine Geräusche. Ich liege zuhause im Bett, wo mich kaum jemand sieht. Bevor ich dafür kämpfen kann, vom Gesundheitssystem versorgt zu sein, strukturell und öffentlich Anerkennung zu bekommen, muss ich dafür kämpfen, einen klaren Gedanken zu fassen – in welcher Gesellschaft macht es einen Unterschied, dass ich kämpfe? Wann würde es auf politischer Ebene auffallen, wenn ich damit aufhöre? Soll ich in den Streik gehen? Aber wem würde es auffallen, wenn ich aufhöre, zu essen und zu trinken! Es gibt Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind und verhungern, weil sie nicht versorgt werden. Es gibt Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind und Suizid begehen, um eben nicht zu verhungern. Es gibt Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind, und Sterbehilfe in Anspruch nehmen, weil es keine medizinische Versorgung gibt. Was sagt das über unser System aus: dass Sterbehilfe – bei allen Schwierigkeiten – oft leichter ist als Therapie zu kriegen! 

Denn angemessene Therapien für ME/CFS gibt es eben keine; häufig verschlimmert sich der Zustand sogar durch falsche Therapien – zum Beispiel durch Aktivierung oder die Empfehlung aktivierender Maßnahmen: Gehen Sie spazieren, machen Sie mal Sport! Oder dadurch, dass Ärzt:innen uns unterstellen, wir würden unsere Symptome fingieren, dadurch, dass die Leistungsgesellschaft uns suggeriert, wir müssten uns nur etwas mehr anstrengen, nur wollen. Dabei ist über die Ursachen von ME/CFS bis heute noch immer viel zu wenig bekannt. Außer, dass die Symptome häufig nach Infektionskrankheiten beginnen – wie z.B. nach Covid-19. Keine Krankheit ist im Verhältnis zu ihrem Schweregrad so schlecht erforscht wie ME/CFS. Es gibt zwar vielversprechende Hypothesen über den Krankheitsmechanismus, aber wegen fehlender Forschungsgelder bleibt es seit Jahrzehnten bei Hypothesen. Und das, obwohl vergleichbare Symptomatiken schon vor 200 Jahren geschildert wurden. 1934 kam es zu einem ersten epidemischen Ausbruch, immerhin seit 1969 führt die WHO ME/CFS als schwere neurologische Krankheit. [3] 

Warum also noch immer die unfassbare Vernachlässigung? Das hat viel mit einer Politik zu tun, die wegschaut, herunterspielt, keine entsprechenden Strukturen schafft. Mir ist wichtig, klarzumachen, dass die Unsichtbarmachung von ME/CFS nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern dass eine massive strukturelle Gewalt dahinter steckt, die einem sexistischen und patriarchalen System entspringt. 

Denn zwei Drittel der Betroffenen von ME/CFS sind laut Studienlage Frauen. Dass ME/CFS bislang nun so wenig erforscht wurde, ist kein Zufall, sondern hat genau damit zu tun: dass Frauen über Jahrhunderte hinweg systematisch weniger ernst genommen wurden; dass also auch Krankheiten, die vor allem Frauen betreffen, weniger im öffentlichen Interesse liegen. 

Das hängt mit sexistischen Narrativen und Denkweisen zusammen, die viele Krankheitsgeschichten und auch die Geschichte von ME/CFS seit ihren Anfängen prägen: Immer wieder wurden epidemische Ausbrüche von ME/CFS von Psychiatern als “Massenhysterien” stigmatisiert. Ihre Erklärung dafür: es seien überwiegend Frauen betroffen. Zur Einordnung: mit dem Stigma »Hysterie« wurden weibliche Körper schon im antiken Griechenland belegt; damals wollte man körperliches und psychisches Leiden von Frauen mit einer wandernden Gebärmutter erklären. Dieses Konzept ist also schon im Kern sexistisch. Es setzt sich bis heute fort, indem Frauen als emotional labiler wahrgenommen und gesundheitliche Probleme oft auf den Zyklus geschoben werden. In dieser Denklinie spricht noch 1984 ein Virologe von einer „Erkrankung der depressiven, meno-pausalen Frauen“ und meint damit ME/CFS. Und noch heute gibt es Mediziner*innen, auch in Gutachter- und Leitungspositionen, die Betroffene von ME/CFS als typisches ‘Psychosomatikkollektiv’ beschreiben oder als ‘schwierige Patientengruppe’, die sich durch zuviel Medienkonsum und Panikmache in ihre Krankheit reinsteigert. [4] [5]

Auf struktureller Ebene schlägt sich diese Denklinie bis heute darin nieder, wie Forschungsgelder verteilt werden, oder in bürokratischen Richtlinien, in den Mechanismen und Strukturen unseres Gesundheitssystems. Aber dagegen muss die Politik doch vorgehen – sie darf sich doch gerade nicht von sexistischen Narrativen und Denkweisen leiten lassen! Denn sonst setzt sie diese strukturelle Gewalt fort, gegen die sie schon solange nicht vorgegangen ist. Und damit macht sie sich weiterhin mitschuldig an all dem Leid. 

Genau deswegen hat die Politik die Verantwortung, die Zustände zu verändern – Denn für Forschung gibt es Gelder, für die Verteilung von Geldern ist die Politik zuständig. Für Versorgungsrichtlinien gibt es Gesetze, für Gesetze ist die Politik zuständig. Und auch das Gesundheitssystem ist in seiner Struktur und seiner Finanzierung abhängig von politischen Entscheidungen.

Umso wütender macht es mich: dass ich, wenn ich heute mit ME/CFS zu Ärzt:innen gehe, immer noch damit rechnen muss, gesundheitsschädliche Ratschläge zu bekommen; dass Gutachter:innen und Behördenmitarbeiter:innen über mich entscheiden, z.B. über lebenswichtige Maßnahmen wie Pflegegrad oder Hilfsmittel, die noch nie etwas von ME/CFS gehört haben; dass es für Schwer- und Schwerstbetroffene noch immer kaum Zugang zu Therapien gibt, geschweige denn zu Vorsorgeuntersuchungen, Krankenhausbehandlungen, oder anderen Fachärzten wie Zahnärztin, Gynäkologin, Urologin. Für all diese Leerstellen und Missstände tragen Menschen aus der Politik entscheidende Verantwortung!

Deswegen fordere ich von der Politik: Flächendeckende Versorgungsstrukturen für Betroffene! Zugang zu medizinischer Versorgung auch für Schwer- und Schwerstbetroffene! Angemessene Forschungsfinanzierung, die den Forschungsrückstand ausgleicht! Die Aufnahme von ME/CFS in die Curricula der Medizinstudiengänge! Und eine flächendeckende Aufklärung von Menschen in Gesundheitsberufen und Behörden darüber, was ME/CFS ist! Macht es zu eurer Aufgabe, dass Betroffenen von ME/CFS endlich geholfen wird, und zwar strukturell. Das ist keine Barmherzigkeit, sondern eure verdammte Verantwortung!

Ich danke allen, die heute hier sind, weil sie das schon verstanden haben. Oder weil sie verstehen wollen. Dankeschön!

Quellen:

[1] https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/ 

[2] https://www.nzz.ch/wissenschaft/erhoehtes-suizidrisiko-bei-long-covid-und-mecfs-ld.1832563 

[3] https://mecfs-freiburg.de/pages/historisches.html 

[4] Lotte Habermann-Horstmeier & Lukas M. Horstmeier: Wahrnehmung von Gender-aspekten in der Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bei myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS), in: Prävention und Gesundheitsförderung 20(1), Januar 2024: 48–60, abzurufen unter: https://www.researchgate.net/publication/377727333_Wahrnehmung_von_Genderaspekten_in_der_Beziehung_zwischen_Arztinnen_und_Patientinnen_bei_myalgischer_Enzephalomyelitischronischem_Fatigue-Syndrom_MECFS 

[5] Manuel Thoma et al.: Warum die psychosomatische Sicht auf ME/CFS Betroffenen schadet, in: Medicina / MDPI,  Teil des Special Issue: Advances in ME/CFS Research and Clinical Care: Part II, 31.12.2023, abzurufen unter: https://www.mecfs.de/publikation-zur-psychosomatischen-sicht-auf-me-cfs/   


Beitrag von Lilli aus Weimar:

„Mein Name ist Lilli, ich spreche hier heute zu Ihnen und Euch als Mitglied des ME-Netzwerkes Thüringen, als Mitorganisatorin der LiegendDemo, als Nachwuchswissenschaftlerin, die ich eigentlich werden wollte, und vor allem aber als Mutter eines an Myalgischer Enzephalomyelitis erkrankten Kindes, das seit mehr als einem Jahr schwerstbetroffen ist.

Aus der aktivistischen Position heraus gesprochen ist ME eine humanitäre Katastrophe, ist unterlassene Hilfeleistung seit mehr als 50 Jahren. Aus meiner beruflichen Perspektive heraus gesprochen ist ME ein gesamtgesellschaftliches Skandalon, das an Prekarität nicht zu überbieten ist und aufzeigt, dass wir als Gesellschaft das Verschwinden einer halben Million Menschen tagtäglich tolerieren.

Aus der Perspektive der Mutter eines an ME leidenden Jugendlichen heraus gesprochen ist ME ein brachialer Schmerz, der darin besteht, dem liebsten Menschen, den man hat, dabei zusehen zu müssen, wie er bei vollem Bewusstsein stirbt, ohne tot zu sein. Mein Sohn lebt nicht, er versucht, zu überleben. Ob er das schafft, weiß ich nicht.

Mit ihm begraben werden all seine Talente und Interessen, die ihn ausgemacht haben. Er war hochintelligent, sportlich, ein Nachwuchsrennradfahrer, der nicht zuletzt auch hier in Jena erfolgreich an Wettkämpfen teilnahm.

Seit einem Jahr muss er ununterbrochen im Bett verbringen, die Fenster sind mit Schaumstoff zugestopft, weil er aufgrund der Entzündungsvorgänge im Gehirn kein Licht verträgt. Er kann nur schwer Kontakt zu seinen Freunden halten, weil er kein Handy benutzen, geschweige denn Besuch empfangen kann. Fast der einzige Kontakt, den er hat, bin ich, die ihm Essen, Trinken und Tabletten bringt. Wir können uns aber nicht unterhalten, weil er dann sofort Schmerzen bekommt. Nur ungefähr 3 bis 4 Sätze wechseln wir im Flüsterton pro Tag. Er versucht sich mit Lego abzulenken, bekommt dann aber sofort wieder Schmerzen im Kopf oder in den Augen, kann nur noch verschwommen sehen. Aufgrund der Nervenentzündung triggern ihn alle Geräusche – die vorbeifahrenden Autos, die Vögel, die draußen singen. Nachts kann er nicht richtig schlafen, weil das autonome Nervensystem gestört ist. Das einzige was ihm bleibt, sind seine Gedanken. Er ist 24 Stunden am Tag damit allein, seit über einem Jahr, ohne Aussicht auf Besserung oder gar Heilung.

Mehrfach hat er mir anvertraut, dass er das nicht mehr lange aushält. Dass es sich anfühlt, als ob er gefoltert wird. Dass er manchmal lieber sterben würde als diesen Zustand noch länger aushalten zu müssen.

Das ist sicher nicht leicht für Sie, dies alles zu hören. Und ich danke Ihnen, dass Sie trotzdem hinhören. Denn ich möchte, dass Sie davon erfahren, dass ME genau das ist: ein Kampf um Leben und Tod. Und betroffene Kinder trifft es am härtesten: nicht nur, dass sie zu derjenigen Gruppe gehören, die innerhalb der ohnehin unzureichenden Erforschung bisher am wenigsten repräsentiert ist. Sondern auch, weil den schwerstbetroffenen unter ihnen – also denjenigen, denen keinerlei Form von Teilhabe am Leben mehr möglich ist – im Gegensatz zu erwachsenen Schwerstbetroffenen, die sich mittels assistierten Suizids für ein Ende der Qualen entscheiden können – Kindern nicht einmal aber eine solche Aussicht auf Erlösung gegeben wird. Dass das eigene Kind vor einem stirbt, ist der grausamste Gedanke, den man sich als Mutter machen kann. Das habe ich zumindest immer geglaubt. Heute weiß ich: noch grausamer ist es, zu wissen, dass das Kind sein Leben als Folter erlebt, und dass dieser Zustand nicht enden wird, wenn sich in der Forschung und Politik nicht schnell etwas bewegt.

Schwer und schwerst an ME erkrankte Kinder müssen an ihren eigenen Körpern ausbaden, was Politik, Medizin und Pharmazie in den vergangenen Jahrzehnten missachtet haben, nämlich dass kein einziger Cent in Medikamentenforschung investiert wurde. Diese schwer an ME erkrankten Kinder – und dies betrifft allein in Deutschland viele Tausende, Tendenz steigend – sie vegetieren in ihren Kinderzimmern vor sich hin, sie werden keinen Schulabschluss erlangen, keine Ausbildung machen, keinem Hobby nachgehen können, sie werden sich nicht verlieben können, weil ihre Symptomatik den Kontakt zu Menschen verwehrt; sie können nicht einmal von ihren eigenen Eltern getröstet werden, weil Berührungen zu Schmerzen führen.

Mich erfüllt es mit großer Angst, nicht zu wissen, was ich Ihnen nächstes Jahr um diese Zeit, wenn es wieder eine LiegendDemo geben sollte, über mein Kind erzählen werde. Doch eins steht fest: ohne gesamtgesellschaftlichen Kraftakt haben Kinder wie mein Sohn keine Chance, ins Leben zurückzukommen. Deshalb bitte ich Sie von ganzem Herzen, uns pflegenden Angehörigen dabei zu helfen, die neue Regierung daran zu erinnern, dass sie einen Eilauftrag hat. Und dieser Eilauftrag besteht darin, sofort ausreichend Gelder für Medikamentenforschung zur Verfügung zu stellen, anstatt sie in sogenannte Grundlagenforschung zu stecken und damit bereits vorhandenes Wissen als bahnbrechende Erkenntnisse zu deklarieren, letztlich aber nur wertvolle Zeit zu verlieren. Die neue Regierung muss führenden Forschenden JETZT alle nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen, die es ermöglichen, Medikamente auf den Markt zu bringen, die den erkrankten Kindern und Erwachsenen eine Aussicht auf ein lebenswertes Leben bieten.

Wir dürfen uns nicht auf Projekten ausruhen, die zwar für in der Zukunft erkrankte Kinder zumindest eine bessere Versorgungsstruktur aufbauen – hiermit ist das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Projekt PEDNET LC gemeint – denn im Rahmen dieses Projektes werden bestenfalls weniger Falschdiagnosen gestellt, weniger Traumata in den betroffenen Familien ausgelöst, mehr Ärzt:innen mit dem nötigen Fachwissen geschult. Was sehr wichtige Bausteine sind, jedoch – solange nicht parallel in Medikamente investiert wird – noch immer eine bloße Verwaltung der Krankheit bleibt, nur dann auf einem etwas höheren Niveau.

Es gibt einen Medikamentenkandidaten, MDC002, der die bei den Erkrankten vorliegende Dysfunktion der Mitochondrien entscheidend verbessern könnte. Um die Forschung voranzubringen, sind 20 Millionen Euro notwendig – das sind Peanuts, und dennoch werden sie bisher nicht bereitgestellt. Es ist in etwa der Betrag, der für den Bau von einem Kilometer Autobahn ausgegeben wird. Es ist in etwa der Betrag, der in der Formel 1 als Veranstaltungsgebühr für eine Rennstrecke ausgegeben wird. Es ist in etwa der Betrag, den der Fußballer Mario Götze allein durch Werbeeinnahmen verdient hat. Was muss noch passieren, damit Medikamente gefördert werden, die unendliches Leid lindern, gar beenden könnten? Müssen tatsächlich erst Fotos von Leichenbergen um die Welt gehen, so wie das während der Corona-Pandemie aufgenommene Handyfoto aus Bergamo, das LKWs zeigte, in denen Leichen transportiert wurden? Müssen wir Eltern tatsächlich erst unsere dahinsiechenden Kinder vor das Bundesministerium für Bildung und Forschung tragen, damit die absolute Dringlichkeit nicht nur auf dem Papier und in Reden anerkannt wird, sondern endlich Medikamentenforschung priorisiert wird?

Sie fragen sich jetzt vielleicht, was Sie tun können, um diesem Grauen ein Ende zu bereiten. Sie können zum Beispiel noch heute Abend an die neue Regierung schreiben, insbesondere dem Gesundheitsministerium sowie dem Forschungsministerium und dort daran erinnern, dass tausende Kinder aller sozialen Schichten in diesem Land jeden Tag ums Überleben kämpfen, im Dunkeln, in permanenter Isolation, unter unwürdigen Bedingungen. Dass mit ihnen zusammen häufig auch ihre Familie so gut wie alles verliert: Arbeit, Beziehungen, Zukunftsvisionen, die Möglichkeit zur Mitgestaltung unserer Gesellschaft.

Wenn der kleine Prinz aus dem gleichnamigen französischen Kinderbuchklassiker sagt, „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, dann bedeutet das für unser Thema – den Kampf gegen die Unsichtbarkeit von ME – das unsere einzige Möglichkeit ist, unsere Herzen zu öffnen. Unsere Reden, unsere Demonstration ist letztlich vor allem das: ein Appell an die Menschlichkeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“


Beitrag von Kristina:



Das Lied »Der Wolf« von Anna und Rebecca

Anna hat ein Lied für ihre Tochter Rebecca geschrieben, die im August 2022 an Long Covid erkrankt ist. Vom Gesundheitssystem ist die Familie weitgehend alleine gelassen. Zur Schule gehen kann Rebecca seit über einem Jahr nicht mehr. Das einzige, was sie seit langem tun kann, ist zu malen. Das Lied hat sie für die vielen an ME/CFS erkrankten Kinder selbst eingesungen.

Am 10. Mai 2025 hat Anna das Lied auf der LiegendDemo auf dem Holzmarkt in Jena live gesungen.



LiegendDemo-Installation zum 8. März 2025 in Jena

Redebeitrag zum 8. März 2025 in Jena

Hallo, ich bin Lilian und ich habe ME/CFS. Ich bin von der Initiative Liegenddemo, dieser Beitrag ist aber meine persönliche Perspektive. “Wir kämpfen, wir streiken, wir leben” ist in diesem Jahr das Motto vom 8. März. Ich habe viel darüber nachgedacht, was das für mich bedeuten kann. Wenn ich im Folgenden manchmal auch “Wir” sage, meine ich damit mich und andere Menschen, die von ME/CFS betroffen sind. Für die ich natürlich nicht alle sprechen kann. Ein paar von ihnen liegen symbolisch auf den Isomatten, die wir hier auf dem Platz ausgelegt haben, vielleicht habt ihr sie schon bemerkt. Dass wir nicht einmal selbst hier liegen können, macht euch vielleicht klar, wie es uns geht.

ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue Syndrom. Dieser Begriff bezeichnet eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Ein charakteristisches Symptom für ME/CFS ist die Post-Exertionelle Malaise, kurz PEM. PEM zu haben heißt, dass sich all unsere Krankheitssymptome nach geringsten körperlichen oder geistigen Anstrengungen krass verstärken – ein Wort dafür ist crash. Heftige Schwäche, starke Muskelschmerzen, stärkste Grippesymptome. Außerdem haben wir Herz-Kreislauf-Probleme, massive Schlafstörungen und – brain fog: neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen – nicht mehr denken können. Und vieles mehr. [1]

Von dieser Erkrankung sind weltweit ca. 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland waren es vor der Covid-19-Pandemie 250.000. Seitdem hat sich die Zahl wahrscheinlich mindestens verdoppelt. Wir sind alle sehr unterschiedlich von ME/CFS betroffen. Was uns aber allen gemeinsam ist?

Wir kämpfen jeden Tag. Aber fast alle unsere Kämpfe bleiben unsichtbar. Ich zum Beispiel kämpfe täglich, um mir die Zähne zu putzen. Ich kämpfe, um fünf Minuten aufrecht zu sitzen. Mich zehn Minuten lang zu unterhalten. Ich ertrage kein Licht, keine Geräusche. Ich liege zuhause im Bett, wo mich kaum jemand sieht. Bevor ich dafür kämpfen kann, vom Gesundheitssystem versorgt zu sein, strukturell und öffentlich Anerkennung zu bekommen, muss ich dafür kämpfen, einen klaren Gedanken zu fassen – in welcher Gesellschaft macht es einen Unterschied, dass ich kämpfe? Wem würde es auffallen, wenn ich damit aufhöre?

Wie kann ich streiken, wenn kaum etwas übrig ist, das ich prinzipiell tun, das ich also auch lassen könnte? Wen interessiert es, wenn wir streiken? Wenn die einzigen Möglichkeiten zu streiken sind: nicht mehr essen, nicht mehr trinken. Oder Suizid. [2] Oder Sterbehilfe in Anspruch nehmen, was perfiderweise oft noch einfacher ist als Therapie zu kriegen.

Denn man könnte meinen, es sind Forschung und Gesundheitssystem, die uns bestreiken. Angemessene Therapien gibt es keine; über die Ursachen der Krankheit ist bis heute noch immer viel zu wenig bekannt. Außer, dass die Symptome häufig nach Infektionskrankheiten beginnen – wie z.B. Covid-19. Keine Krankheit ist im Verhältnis zu ihrem Schweregrad so schlecht erforscht wie ME/CFS. Und das, obwohl vergleichbare Symptomatiken schon vor 200 Jahren geschildert wurden. 1934 kam es zu einem ersten epidemischen Ausbruch, immerhin seit 1969 führt die WHO ME/CFS als schwere neurologische Krankheit. [3] Warum noch immer die fehlende Anerkennung? Fehlende Behandlung? Die Herabwürdigung von Betroffenen? Das teilweise Leugnen und Bagatellisieren der Erkrankung und damit die Blockade von Forschungsförderung? Das hat viel mit einem System zu tun, das zutiefst patriarchal und sexistisch ist.

Zwei Drittel der Betroffenen von ME/CFS sind laut Studienlage cis Frauen. Transgender und inter Personen werden in aktuellen Überblicksstudien überhaupt nicht mal erfasst, deswegen kann ich mich hier leider nur auf binäre Daten beziehen. Wenn nun cis Frauen von Symptomen berichten, unter denen sie leiden – z.B. nach einer Covid-Infektion – wird das bis heute noch immer oft auf ‘die Psyche’ geschoben, womit gemeint ist: ‘das ist ausgedacht, eingebildet, übertrieben’. [4] Das gilt natürlich für viele Krankheitsbilder, und auch für ME/CFS hat es Tradition: Immer wieder wurden epidemische Ausbrüche von ME/CFS von Psychiatern als “Massenhysterien” stigmatisiert, 1984 sprach ein Virologe gar von einer “Erkrankung der depressiven, meno-pausalen Frauen” [3].

Cis Frauen sind also häufiger betroffen – und werden, wie sicher auch betroffene transgender und inter Personen, systematisch marginalisiert. Daraus folgt mindestens zweierlei: 1. Die Krankheit liegt weniger im öffentlichen und wissenschaftlichen Interesse. 2., Betroffene, die systematisch marginalisiert werden, haben es noch schwerer, an angemessene Versorgung zu kommen. Zum Beispiel bekommen cis Frauen ihre ME/CFS-Diagnose im Durchschnitt ein Jahr später gestellt als cis Männer. Natürlich erleben auch betroffene cis Männer Stigmatisierung, gaslighting und Unsichtbarmachung ihrer Erkrankung. Auch sie werden damit Opfer des Patriarchats. Das bedeutet letztlich für uns alle, dass wir lange Zeit überhaupt keine Hilfe bekommen, keine angemessenen Therapien oder sogar Therapien, die zu Verschlechterungen führen. Das heißt also: nicht nur keine Heilung, sondern noch schlimmere Symptome, wachsende Isolation, wachsende Verzweiflung! Und nicht einmal Kraft, das alles rauszuschreien…

In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe ich all das selbst erlebt. Und frage mich: Was ist das für ein Leben? Ist das noch ein Leben? Manche von uns sagen, man kann sein Leben verlieren, ohne zu sterben. Ich kann verstehen, was sie meinen. Was gelten unsere Leben in der Welt, in der wir leben? Eine halbe Million Menschen verschwindet aus der Gesellschaft – und niemand bemerkt es? Es ist dieselbe Gesellschaft, die zu großen Teilen ignoriert oder sogar befürwortet, dass wir – das »Wir« der westlichen Gesellschaft – Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen. Dass wir unseren ‘Wohlstand’ darauf aufbauen, dass wir Menschen und Ressourcen im globalen Süden ausbeuten. Dass wir Menschen mit Behinderung systematisch von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen. Dieselbe Gesellschaft, die nach kapitalistischer Logik immer wieder Unterschiede im Wert von Menschen macht – wer ein gutes Leben oder überhaupt ein Leben führen darf – und wer nicht. Warum wundert es mich, dass auch bei ME/CFS weggeschaut wird?

Mir ist wichtig, die Lage um ME/CFS als Teil dieser strukturellen Gewalt einzuordnen. All diese Diskriminierungen, all diese sogenannten ‘Krisen’ und all dieses Leid gehören zusammen. Und so zusammen gehören auch unsere Kämpfe.

Aber damit wir kämpfen können, brauchen wir euch. Deswegen ruf ich dazu auf: Informiert euch und sprecht über ME/CFS. Schaut auf unserer Website vorbei – die Adresse findet ihr auf den ausliegenden Flyern bei den Isomatten. Dort gibt es noch mehr Hintergründe, diesen Beitrag zum Nachlesen, einzelne Geschichten. Und kommt zu unserer Liegend-Demo in Jena am 10. Mai, 14:00 Uhr auf dem Holzmarkt. Leiht uns eure Ohren und eure Stimmen, damit wir mit euch kämpfen können! Auch wir wollen leben!

Dankeschön!

[1] https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/ 

[2] https://www.nzz.ch/wissenschaft/erhoehtes-suizidrisiko-bei-long-covid-und-mecfs-ld.1832563 

[3] https://mecfs-freiburg.de/pages/historisches.html 

[4] Lotte Habermann-Horstmeier & Lukas M. Horstmeier: Wahrnehmung von Gender-aspekten in der Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bei myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS), in: Prävention und Gesundheitsförderung 20(1), Januar 2024: 48–60, abzurufen unter: https://www.researchgate.net/publication/377727333_Wahrnehmung_von_Genderaspekten_in_der_Beziehung_zwischen_Arztinnen_und_Patientinnen_bei_myalgischer_Enzephalomyelitischronischem_Fatigue-Syndrom_MECFS